Real-World-Daten (RWD) aus Patientendatenbanken zur Ermittlung des Nutzens einer Behandlung

In dieser Fallstudie wird untersucht, wie die Analyse von Real-World-Patientendaten aus lokalen Polikliniken zur Bewertung der Therapietreue dienen kann und welcher Anteil der Bevölkerung einen Nutzen von einem Kombinationspräparat haben könnte. 

Therapietreue ist für viele Patient*innen mit Komorbiditäten (weiteren Erkrankungen) ein großes Problem.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass 2019 17,9 Millionen Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen starben, was 32% sämtlicher Todesfälle entspricht. [i] Viele Patient*innen haben mehrere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Bluthochdruck, einen hohen Cholesterinspiegel und hohe Fettwerte. Sie müssen daher mit mehreren unterschiedlichen Arzneimitteln behandelt werden.[ii] Studien haben jedoch gezeigt, dass unter realen Bedingungen die Therapietreue bei dieser Patientengruppe gering ist.[iii], [iv] Therapietreue ist ein komplexes Phänomen, zu dem viele Faktoren beitragen, wie z.B. die Persönlichkeit der Patient*innen, ihr sozioökonomischer Status, und ihre Fähigkeit zur Kommunikation mit dem betreuenden medizinischen Team.   

Eine geringe Therapietreue mindert den Nutzen der Behandlung für die Patient*innen und belastet das Gesundheitswesen stärker, da die Behandlung länger dauert. Daher besteht dringend Handlungsbedarf, wenn es um die Behandlung mit besten, bereits vorhandenen Wirkstoffen (Molekülen) geht: Behandlungspläne müssen vereinfacht werden, um die Therapietreue zu steigern und die klinischen Ergebnisse zu verbessern.

RWD als wertvolle Quelle für Patientendaten 

Eine Studie, die den Kern dieser Fallstudie bildet, untersuchte, wie viele Patient*innen für ein Dreifachkombinationspräparat (eine einzige Tablette, die Atorvastatin/Perindopril/Amlodipin (CTAPA) enthält) geeignet sind und inwiefern bei diesen Patient*innen ein unerfüllter medizinischer Versorgungsbedarf besteht. 

Die Anonymität der Patient*innen muss bei ethischer Forschung an erster Stelle stehen 


Bei dieser Studie handelte es sich um eine so genannte retrospektive Beobachtungsstudie (= retrospektiv bedeutet rückblickend, das heißt, die Daten wurden schon vor Beginn einer Studie erhoben) basierend auf den Daten von 2.292 erwachsenen Patient*innen, die von drei italienischen lokalen Polikliniken stammten. Jede*r Patient*in wurde in der Datenbank durch einen anonymen Code gekennzeichnet. Die Forscher hatten so keinen Zugriff auf die Kennungen, über die die Patient*innen identifiziert werden konnten. Sämtliche Daten wurden als aggregierte Werte (gesammelte Daten) erzeugt, die den einzelnen Patient*innen weder direkt noch indirekt zugeordnet werden konnten. 

RWD-Daten können zur Ermittlung unerfüllter bestehender Bedarfe verwendet werden 


Sämtliche Patient*innen wurden CTAPA als Einzeltabletten verordnet. Die Studie ergab, dass nur ca. die Hälfte (54%) der Patient*innen ihre Therapie laut Verordnung einnahmen. Die Ergebnisse ermöglichten es dem Team, einen klaren unerfüllten Bedarf zu ermitteln. Übertragen auf die Gesamtbevölkerung Italiens bedeutete dies, dass 2014 ca. 69.665 Patient*innen mit Bluthochdruck für eine Behandlung mit einem Kombinationspräparat geeignet waren, was zu einer Steigerung der Therapietreue beigetragen hätte.

Dies ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie RWD dazu verwendet werden können, Evidenz für einen wichtigen unerfüllten Bedarf zu liefern, der nur mit einer Analyse von Real-World-Evidenz ausgemacht werden kann. Die Ergebnisse können Mediziner*innen und Forscher*innen dabei helfen, mögliche Interventionen zu suchen, die, wie in diesem Fall, in einem vereinfachten Behandlungsplan (einem Kombinationspräparat) liegen können, der die Therapietreue steigern kann.  


Weitere Informationen

High Blood Pressure & Cardiovascular Prevention (2019) 26:399-404 https://link.springer.com/article/10.1007/s40292-019-00336-2 

Unser besonderer Dank gilt Samuele Doratori, Leiter der Abteilung Kardiometabolische und venöse Krankheiten bei Global Medical and Patient Affairs (GMPA), SERVIER, Valerie Lehner-Martin, Leiterin Medical Excellence and Real-World, GMPA SERVIER sowie Luca Degli Esposti, CEO, CliCon S.r.l. Società Benefit Health, Economics & Outcomes Research, Bologna, Italien. 


[i] Weltgesundheitsorganisation (WHO) - Herz-Kreislauf-Erkrankungen
(Cardiovascular diseases (CVDs))

[Internet].https://www.who.int/health-topics/cardiovascular-diseases#tab=tab_1). Zugriff erfolgt am 1. August 2022

[ii] Perrone V, Veronesi C, Gambera M, Nati G, Perone F, Tagliabue PF, Degli Esposti L, Volpe M. Treatment with Free Triple Combination Therapy of Atorvastatin, Perindopril, Amlodipine in Hypertensive Patients: A Real-World Population Study in Italy. High Blood Press Cardiovasc Prev. 2019 Oct;26(5):399-404. doi: 10.1007/s40292-019-00336-2. Epub 2019 Aug 28. PMID: 31463886.

[iii] Crim MT, Yoon SSS, Ortiz E, Wall HK, Schober S, Gillespie C, et al. National surveillance definitions for hypertension prevalence and control among adults. Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 2012;5(3):343–51.

[iv] Volpe M, Tocci G, Trimarco B, Rosei EA, Borghi C, Ambrosioni E, et al. Blood pressure control in Italy: results of recent surveys on hypertension. J Hypertens. 2007;25(7):1491–8.