Gesundheitskompetenz im Wandel – was der neue HLS-GER 3 zeigt

Warum Verstehen der erste Schritt zum Vertrauen bleibt

Gesundheitskompetenz ist – neben unserem Grundthema Gesundheitsdaten – eines unserer zentralen Themen bei Data Saves Lives Deutschland.
Seit Beginn dieses Jahres beschäftigen wir uns intensiv damit, weil sie Teil eines der wichtigsten Zyklen menschlichen Lebens ist:
dem Zusammenspiel von Kompetenz, Daten und Gesundheit.

Wenn Versorgung effizient, gerecht und patientenzentriert gestaltet werden soll, braucht es genau diesen Dreiklang:
Menschen, die verstehen – Systeme, die mitdenken – und Daten, die verbinden.

Im DSL DE Kompass 2025 haben wir uns bereits mit den Ergebnissen des HLS-GER 2 (Health Literacy Survey Deutschland, Version 2) beschäftigt.
Damals zeigte sich: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland hat Schwierigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und im Alltag anzuwenden.

Nun liegt mit dem HLS-GER 3 (Health Literacy Survey Deutschland, Version 3) die aktuelle Auswertung vor – und wir haben sie uns genau angesehen.
Denn wer an einer besseren Gesundheitskommunikation und Datennutzung arbeitet, muss verstehen, wie Menschen Informationen wahrnehmen – und wo sie verloren gehen.
Dieses Wissen hilft uns und allen Beteiligten, Lücken zu füllen und Vorgänge verständlich zu machen.

Wer steckt hinter der Studie?

Der HLS-GER 3 wurde vom Interdisziplinären Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK) an der Universität Bielefeld durchgeführt – unter Leitung von Prof. Dr. Doris Schaeffer, gemeinsam mit Prof. Dr. Ullrich Bauer, Prof. Dr. Kevin Dadaczynski (Hochschule Fulda) und Prof. Dr. Thorsten Meyer (Universität Bielefeld).
Gefördert wurde die Studie vom Bundesministerium für Gesundheit und unterstützt durch den Bosch Health Campus. Sie ist Teil des WHO-Netzwerks M-POHL (Measuring Population and Organizational Health Literacy).

Das Factsheet mit allen zentralen Ergebnissen ist hier zu finden:
HLS-GER 3 – Factsheet der Universität Bielefeld

Die Ergebnisse auf einen Blick

Gesundheitskompetenz leicht verbessert:
Der Anteil der Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz ist laut HLS-GER 3 um 3,1 Prozentpunkte gesunken – auf nun 55,7 % der Bevölkerung.

Digitale Gesundheitskompetenz gestiegen:
Sie nahm um 4,7 Prozentpunkte zu. Immer mehr Menschen informieren sich online, über Gesundheits-Apps oder sogar mithilfe von KI-Tools.

Dennoch bleibt viel zu tun:
Mehr als jede zweite Person hat weiterhin Mühe, Gesundheitsinformationen richtig zu verstehen und anzuwenden.

Besonders herausfordernd bleibt die Navigation im Gesundheitssystem – 82 % der Befragten gaben an, sich dort schwer zurechtzufinden.
Das heißt aber auch: Die Diskussion über Systemänderungen, Vereinfachungen und eine effizientere Gestaltung des Gesundheitswesens ist längst überfällig – und als logische Konsequenz dieser Zahlen endlich ernsthaft anzugehen.

Soziale Unterschiede bleiben bestehen:
Menschen mit geringerer Bildung, niedrigerem Einkommen oder chronischen Erkrankungen haben deutlich häufiger Schwierigkeiten, Gesundheitsinformationen richtig zu verarbeiten.
Auch hier sehen wir das klare Signal, dass Gesundheitskompetenz nicht erst dann Thema werden darf, wenn es quasi zu spät ist. Sie muss früh beginnen – in Schulen, als eigenes Fach, um schon Kinder und Jugendliche für den Umgang mit Gesundheit, Information und Verantwortung zu sensibilisieren.
So gesehen ist das Prävention in Sachen Gesundheitskompetenz – und eine Investition in eine gesündere, selbstbestimmtere Zukunft.

Katastrophenkompetenz – eine neue Dimension

Neu im HLS-GER 3 ist der Blick auf die sogenannte katastrophenbezogene Gesundheitskompetenz – also darauf, wie Menschen Gesundheitsinformationen in Krisen- oder Ausnahmesituationen verstehen.
Gerade wenn man auf die Corona-Pandemie zurückblickt – oder sich daran erinnert, wie man selbst damals mit Informationen umgegangen ist – wird deutlich, wie herausfordernd es war, verlässliche Informationen zu finden, zu verstehen und ihnen zu vertrauen.
Viele waren verunsichert, überfordert oder schlicht müde vom Informationschaos.
Deshalb ist dieser neue Bereich zwar wichtig, darf aber nicht losgelöst betrachtet werden.
Denn wer schon im Alltag Schwierigkeiten hat, Gesundheitsinformationen zu finden und zu bewerten, kann in Stresssituationen kaum besser reagieren.
Hier zeigt sich deutlich: Wir müssen die Grundkompetenzen stärken, bevor wir zusätzliche Anforderungen aufbauen.

Und was ist mit Gesundheitsdaten?

Die Studie zeigt: Die digitale Gesundheitskompetenz wächst – aber das Verständnis rund um Gesundheitsdaten bleibt unklar.
Wie gut wissen Menschen, wo ihre Daten liegen, wer darauf zugreifen darf oder wofür sie verwendet werden?
Diese Fragen wurden im HLS-GER 3 nicht gesondert untersucht.
Und doch sind sie entscheidend, wenn es um Vertrauen in digitale Anwendungen geht.
Nur wer versteht, was mit seinen Daten passiert, kann bewusst zustimmen, vertrauen oder auch widersprechen.
Verstehen ist der erste Schritt zum Vertrauen – und Vertrauen ist die Grundlage für Datensolidarität.

Wer mehr über Datensolidarität erfahren möchte, kann sich in unserer DSL DE Online-Session am 22. Oktober um 16.00 Uhr mit Prof. Barbara Prainsack informieren.
Alle Infos und den Link zur Anmeldung gibt es hier:
Health Literacy trifft Datensolidarität – Warum Verstehen der erste Schritt zum Vertrauen ist

Warum das Thema uns alle betrifft

Gesundheitskompetenz ist kein Spezialthema für Fachleute.
Sie betrifft uns alle – beim Arztgespräch, bei Medikamenten, bei digitalen Gesundheits-Apps oder beim Lesen und Verstehen eines Befundes oder eines Entlassbriefes.

Wer Gesundheitsinformationen nicht versteht und einordnen kann, wird wahrscheinlich keine guten Entscheidungen treffen – was wiederum dazu führt, dass Versorgung nicht optimal läuft.
In Zeiten, in denen Patientenorganisationen und Patientenvertreter:innen schon eine ganze Weile über das sogenannte Shared Decision Making – also das gemeinsame Entscheiden von Patientinnen und Patienten gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten – diskutieren, ist es daher wichtiger denn je, an der eigenen Gesundheitskompetenz zu arbeiten und sie zu stärken.


Das führt zu Sicherheit, Vertrauen – und letztlich zu einer besseren Versorgung.

Darum ist Gesundheitskompetenz die Basis für eine faire, digitale und vertrauensvolle Zukunft unseres Gesundheitssystems.