Happy Pride Month - oder was Vielfalt mit Gesundheitsdaten und Versorgung zu tun hat

Im Juni ist Pride Month und in vielen Städten sieht man jetzt Regenbogenflaggen, Veranstaltungen, bunte Profile. Es wird viel gefeiert aber auch über Vielfalt nachgedacht. Manchmal spürt man Verunsicherung, Zweifel und wird nachdenklich.

Wir haben recherchiert und gefragt und unsere Erkenntnisse für Euch zusammen getragen. Sicherlich sind sie nicht komplett, aber auch in Sachen Gesundheitsdaten herrscht Vielfalt. Manchmal können sie sogar sexy sein. Und wir finden Vielfalt wichtig und daher haben wir uns damit beschäftigt, was wir da eigentlich genau feiern und feiern wir oder erinnern wir? Und was hat das eigentlich mit Gesundheit und Gesundheitsdaten zu tun?

Woher kommt der Pride Month?

Der Pride Month erinnert an die Proteste queerer Menschen im Juni 1969 in New York – die sogenannten Stonewall Riots. Damals leisteten queere Personen Widerstand gegen Polizeigewalt und Ausgrenzung. Diese Proteste gelten als Wendepunkt in der weltweiten LGBTQIA+-Bewegung.

Heute ist der Pride Month eine Zeit für Sichtbarkeit, Selbstbestimmung und auch für Fragen, die wir uns sonst nicht immer stellen. Wir haben uns gefragt, wer in der Gesundheitsversorgung vorkommt und wer nicht?

Und was hat das jetzt mit Gesundheitsdaten zu tun?

Gesundheitsdaten sind Grundlage für Forschung, Diagnostik und Therapie. Sie kommen immer dann vor, wenn wir unsere Ärzte sehen und Symptome schildern, wenn Tests durchgeführt werden oder auch radiologische Befunde erstellt werden. Sie kommen auch dann vor, wenn wir mit unseren Fitness Apps oder Smartwatches aktiv werden. Das sind primäre Gesundheitsdaten und sie kommen direkt von uns. Auch Daten aus der Versorgung, also zum Beispiel von der Krankenkasse, aus Studien oder Patientenregistern sind Daten, es handelt sich hier aber schon um sekundäre Gesundheitsdaten. Aus ihnen kann man quasi lesen, wie Menschen versorgt werden, wo es fehlt - und welche Gruppen überhaupt vorkommen.

Was Studien aber auch zeigen ist, dass häufig queere Menschen in Datensätzen nicht oder kaum sichtbar sind, weil sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität nicht erfasst werden.

Beispiel:
Eine Studie des DIW (2021) zeigt, dass LGBTQI*-Menschen häufiger psychische Belastungen erleben, aber seltener Hilfe suchen – unter anderem wegen Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitswesen.

Quelle: DIW Berlin

Dabei geht es doch um Versorgung für alle

Dass queere Menschen in Daten fehlen, ist kein Randthema. Es betrifft die Qualität medizinischer Versorgung, Früherkennung und auch das Vertrauen in das System.

Bei unserer Recherche fanden wir auch heraus, dass sich scheinbar viele Ärztinnen und Ärzten nicht gut auf die Behandlung von queeren Menschen vorbereitet fühlen. Die Review “Gesundheitliche Themen von LSBTIQ+Personen in der ärztlichen Ausbildung in Deutschland” aus dem Jahr 2022 weist auf folgende Punkte hin:

Studien weisen darauf hin, dass LSBTIQ+Personen einerseits hohe Raten an chronischen körperlichen und psychischen Erkrankungen zeigen, andererseits über negative Erfahrungen mit Behandler_Innen im Gesundheitssystem berichten. Das Ziel dieser Arbeit ist es, einerseits auf Barrieren und eine unzureichende gesundheitliche Versorgung von LSBTIQ+Personen hinzuweisen, andererseits aber auch, auf relevante Lücken in der medizinischen Ausbildung in Deutschland aufmerksam zu machen, woraufhin spezifische Aktionen folgen sollen.”

Die Arbeit kann hier eingesehen werden: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35287238/

Ebenso hier ist eine weitere Erhebung zum Thema: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36011644/

Und in der Digitalisierung? Digitale Gesundheitsdaten - binär und vielfältig?

Die Digitalisierung bietet uns enorme Chancen – auch und gerade für eine gerechtere Gesundheitsversorgung. Aber nur, wenn sie wirklich alle mitdenkt.

In vielen digitalen Gesundheitsanwendungen, von Praxisformularen bis zu Apps, gibt es meist nur zwei Auswahlmöglichkeiten: „männlich“ oder „weiblich“. Für Menschen, die sich nicht mit diesen Kategorien identifizieren – zum Beispiel trans*, inter* oder nicht-binäre Personen – bedeutet das: unsichtbar bleiben oder sich in ein System zwängen, das nicht passt.

Die Robert Koch-Institut (RKI) in der Studie „Erhebung geschlechtlicher Diversität in der Studie GEDA 2019/2020-EHIS – Ziele, Vorgehen und Erfahrungen“(Journal of Health Monitoring, 2/2022) zeigt, dass es auch anders gehen kann. In der Studie wurde erstmals eine differenzierte, zweistufige Geschlechtsabfrage umgesetzt: gefragt wurde sowohl nach dem bei der Geburt eingetragenen Geschlecht als auch nach der aktuellen geschlechtlichen Identität.

Die Ergebnisse machen deutlich: Menschen, deren Geschlechtsidentität von der bei der Geburt zugewiesenen abweicht, berichten häufiger von psychischer Belastung und nutzen medizinische Angebote seltener unter anderem aus Sorge vor Diskriminierung.

Kurz gesagt: Wer in digitalen oder analogen Daten nicht auftaucht, läuft Gefahr, übersehen zu werden.
Und das kann echte Versorgungsfolgen für die Personen haben.

Zwischen Datensatz und Dr. Motte …

Viele auch im Team haben die Anfänge der Love Parade in Berlin in den 90ern noch erlebt. Viele sind am Fernseher geklebt und haben Vielfalt live verfolgt, gemeinsam friedlich zu tanzen und Spaß zu haben. Diversität wurde gelebt, tanzend, selbstverständlich. Das vermissen wir immer noch in Sachen Gesundheitsdaten und auch wenn sich viele Forscher schon damit auseinandersetzen, sehen wir immer noch den Bedarf.

Braucht es eventuell eine “Gesundheitsdaten - Parade” - Tanzen und Gesundheitsdaten spenden und richtig gut sortieren und strukturieren? Wer weiß.

Im Ernst wir finden, wir brauchen Vielfalt. Gesundheitsdaten sind weitaus mehr und an sich wissen wir das alle. Wir glauben aber, dass vielen Menschen mehr geholfen werden kann, wenn wir anfangen, Daten nicht nur in Frauen und Männer aufzuteilen, sondern eben alle Menschen mit ihrer gesamten Vielfalt zu kategorisieren. Auch um herauszufinden wie es uns denn geht. Und wie es den verschiedenen Gruppen geht.

Wir wollen keine politische Debatte führen. Sondern Wissen teilen.
Vielfalt sichtbar machen – auch in Zahlen – ist keine Ideologie. Es ist Versorgung.

Daher hätten wir einen Vorschlag:


➡️ Gesundheitsdaten sollten freiwillig und anonymisiert, aber differenzierter erhoben werden. Übrigens auch schon in klinischen Studien, weil es gerade in Dosierungsfragen bis heute nur wenig spezifizierte Auskünfte gibt. .
➡️ Tools und Systeme sollten geschlechter- und realitätsfreundlich gestaltet sein. Weil es eben mehr Unterschiede gibt als Frauen und Männer.
➡️ Forschung braucht Datensätze, die mehr erklären – nicht weniger.

Denn: Gesundheitsdaten sind sexy. Wenn man sie sich näher anschaut. :-)

Auf Instagram werden wir im Juni immer wieder darüber posten, schauen Sie doch vorbei, wir freuen uns, wenn Sie mit einem Follow unsere Community vielfältiger machen und mit uns ins Gespräch kommen.

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Vielfältige Grüße aus der DSL DE Zentrale

Birgit Bauer